Home Office Gesundheit: Ist Home Office gesundheitsschädlich

Dass die Arbeit im Home Office für viele Menschen eine sinnvolle Alternative zum regelmäßigen Erscheinen im Büro des Unternehmens darstellt, ist nicht neu, wurde aber in der Corona-Krise deutlicher als jemals zuvor in den Fokus gerückt. Doch ist das Home Office auch der alleinige Heilsbringer? Ist die Ausübung des Jobs in den eigenen vier Wänden wirklich für Jeden der richtige Weg? Oder gefährdet man am Ende sogar die eigene Gesundheit, wenn man das betriebliche Büro gegen das Home Office eintauscht?

All diese Fragen lassen sich ganz sicher nicht pauschal beantworten. Fakt ist, dass jeder Fall für sich betrachtet werden muss. Fakt ist auch, dass die Heimarbeit neben ihren unbestrittenen Vorteilen auch ihre Schattenseiten besitzt. Welche Probleme auftreten können, welche Gefahren lauern und wie sich herausfinden lässt, ob man für die Arbeit im Home Office geeignet ist, darüber sollen die folgenden Zeilen ein wenig Aufschluss geben.

Die Analyse

Studien einer renommierten Krankenversicherung in Deutschland haben ergeben, dass die Arbeit im Home Office gesundheitliche Risiken birgt. Bei einer aktuellen Befragung gaben 74 Prozent der Personen, die mittlerweile ihren Arbeitsplatz vom Unternehmen in das eigene Zuhause verlegt haben, an, dass sie sich erschöpft und ausgelaugt fühlen. Bei den weiterhin im betrieblichen Büro arbeitenden Personen lag die Quote nur bei 66 Prozent. Geht man noch mehr ins Detail, ergeben sich weitere, eindeutige Zahlen: Heim-Arbeiter (34 Prozent) sind gegenüber im Betrieb tätigen Personen (3 Prozent) deutlich öfter am Abend oder am Wochenende beruflich aktiv.

20 Prozent (gegenüber 6 Prozent) berichten von Anrufen oder E-Mails der Vorgesetzten außerhalb der Arbeitszeiten. 68 Prozent (gegenüber 62 Prozent) haben zu Hause Probleme, Pausen einzuhalten oder einen geregelten Arbeitsabschluss zu finden, um Feierabend zu machen. Entsprechend schalten Beschäftigte im Home Office (38 Prozent) schwerer ab als im Unternehmen arbeitende Menschen (25 Prozent). Ungleich auch das Verhältnis der beiden Gruppen, wenn es darum geht, im Urlaub noch an die Arbeit zu denken (25 zu 14 Prozent). Unterm Strich lässt sich festhalten: Die Abgrenzung zwischen Beruf und Freizeit fällt vielen Arbeitnehmern im Home Office schwer.

Die Folgen

Erschöpfung, Wut, Verärgerung, Nervosität und Reizbarkeit sind einige Attribute, die das Ergebnis von Arbeit im  Home Office sein können. Heimarbeiter leiden nicht selten unter den psychischen Belastungen, die eine Arbeit im eigenen Zuhause mit sich bringen kann. Das kann durchaus langfristige Konsequenzen zur Folge haben, wenn man bedenkt, dass heute jede zweite Erwerbsunfähigkeit psychische Gründe hat. Spinnt man das Rad weiter, führt es zu einem erheblichen Armutsrisiko, da die Erwerbstätigkeit bei vielen Arbeitnehmern nur unzureichend finanziell abgesichert ist.

Das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin warnt nicht umsonst immer wieder vor einem höheren Stress- und Burnout-Risiko bei Beschäftigten, denen die Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit nicht gelingt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Entgrenzung.

Der Selbsttest

Wie finde ich nun heraus, ob ich für die Arbeit im Home Office überhaupt geeignet bin? Um diese Frage zu beantworten, hilft es womöglich, sich vorab ein paar andere Fragen zu stellen und zu beantworten, bevor ich mich in das Abenteuer Home Office stürze.

    1. Habe ich kein Problem damit, nach getaner Arbeit schnell wieder abzuschalten?
    2. Brauche ich keine Arbeitsplanung von außen, da ich mich gut selbst organisieren kann?
    3. Ruhe ich in mir selbst und lasse ich mich nicht so schnell aus dem Gleichgewicht bringen?
    4. Kann ich meine mir selbst verordneten Arbeitspausen auch strikt einhalten?
    5. Lasse ich mich nicht ablenken, wenn ich arbeite?
    6. Brauche ich nur selten fremde Hilfe, um meine Aufgaben zu erledigen?
    7. Kann ich mir eine Arbeit ohne Anwesenheit von Kollegen gut vorstellen?
    8. Kann ich mich gut selbst motivieren und macht mir die Arbeit dann auch Spaß?
    9. Agiere ich nach dem Prinzip “Freizeit ist Freizeit” und beschäftige mich dann auch nicht mit meiner Arbeit?
    10. Arbeite ich auch außerhalb des betrieblichen Büros diszipliniert und nach meinem Plan?

Wer mehr als sechs dieser Fragen mit einem “Ja” beantworten kann, besitzt gute Voraussetzungen, um mit der Arbeit im Home Office gut zurechtzukommen. Sollten einige Fragen nur mit “Nein” beantwortet werden können, muss das aber nicht das Aus für die Arbeit im Home Office bedeuten. Oftmals ist die Umstellung oder der Umzug vom betrieblichen ins heimische Büro ein Annäherungsprozess, bei dem man sich die nötige Zeit geben sollte, um herauszufinden, was der richtige Weg ist.

Lösungsansätze

Wie schon erwähnt, eine Patentlösung für sämtliche Arbeitnehmer, bei denen Home Office eine Option für die Ausübung ihres Berufs darstellt, gibt es wohl nicht. Sehr wohl gibt es aber Perspektiven, das gesundheitliche Risiko möglichst gering zu halten.

Ein erster Ansatz könnte sein, schon im Vorfeld klare Absprachen mit dem Arbeitgeber zu treffen, wie die Arbeit im Home Office aussehen soll. Dies gilt vor allem für die Arbeitszeiten beziehungsweise die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers. Wer häufig am Abend und/oder am Wochenende arbeitet, sollte sich unter der Woche auch mit ruhigem Gewissen Zeit für sich nehmen dürfen. Dies gilt im übrigen auch für den selbstständig tätigen Menschen, der diese Absprachen mit sich selbst treffen sollte.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Mischung aus Home Office und Arbeiten im Büro. Dies beugt der Gefahr der Isolation, die eine dauerhafte Tätigkeit im Home Office eventuell mit sich bringt, vor und reduziert zudem das Risiko, dass sich Arbeitszeit und Freizeit zu sehr vermischen.

Ein weiterer Ansatz wäre die Anwendung aus einem Bereich der neuen Arbeitsformen, das so genannte Coworking. Hier sind Arbeitnehmer, aber auch Freiberufler in angemieteten, meist größeren, verhältnismäßig offenen Räumen tätig. Sie arbeiten dort entweder unabhängig voneinander für unterschiedliche Firmen und Projekte oder entwickeln mit anderen Co-Workern gemeinsam Projekte. Coworking Space ist ein Geschäftskonzept, das Arbeitsplätze und Infrastruktur zeitlich befristet zur Verfügung stellen.

Die Mischung verschiedener Berufe und die geringe Verbindlichkeit machen dieses Modell sehr attraktiv. Die Gelegenheit, konzentriert zu arbeiten und dennoch sozialen Anschluss zu haben, sind weitere Pluspunkte des Coworkings.

Fazit

Wer sich für eine Arbeit im Home Office entscheidet, sollte sich selbst genau beobachten. Ständig wachsende Nervosität, Schlafstörungen, die wegen des Gefühls, zu Hause zu wenig getan zu haben, hervorgerufen werden oder Selbstzweifel, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, können erste Anzeichen sein, dass die Heimarbeit nicht die ultimative Lösung ist und das womöglich weitere gesundheitliche Schäden drohen.

Damit dies nicht passiert, sollte jeder Arbeitnehmer für sich herausfinden, wie er seinen Arbeitgeber auch im Home Office weiter zufrieden stellen kann. Er sollte aber auch gleichzeitig klar die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit ziehen. So gefährdet er weder die eigene Karriere noch die eigene Gesundheit.

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