Wie Home Office unser Zuhause verändert

Seit dem Ausbruch der Pandemie Ende 2019 ist das Home Office ein etablierter Bestandteil unserer Arbeitswelt. Da viele nun von Zuhause aus arbeiten, können sich immer mehr Personen vorstellen, dies auch in Zukunft zu tun. Wenn immer mehr Menschen dies tun, wird sich unser Heim nachhaltig verändern.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit

Das häusliche Büro, wie es sich die meisten Deutschen heute vorstellen – ein mit Büromöbeln und -geräten ausgestatteter Raum – ist ein entfernter Nachfahre der viktorianischen Bibliothek: ein Raum, in dem Männer der Oberschicht ihre Gedanken, Bücher und Utensilien wie Büsten und Globen sammeln konnten, die zeigten, dass sie gebildet und weit gereist waren.

Laut Alex T. Anderson, außerordentlicher Professor für Architektur an der University of Washington, dienten die Bibliotheken in den Häusern von Landbesitzern des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa und den USA auch als Büros, vor allem auf ländlichen Gütern.

Obwohl Bibliotheken auch weiterhin in wohlhabenden Einfamilienhäusern zu finden waren, gehörten sie zu den vielen viktorianischen Einzweckräumen – wie Billardzimmer, Solarien und Salons -, die im 20. Jahrhundert nicht mehr in die Häuser der Mittelschicht einzogen und ihre ursprüngliche Form und Funktion beibehielten.

Die Idee, in einem Privathaus ein Büro einzurichten, stammt jedoch schon aus der viktorianischen Zeit. Aristokraten und Plantagenbesitzer verfügten in der Regel über eine Art von Heimbüro.

„In großen Häusern gab es oft einen separaten, kleinen, privaten und leicht zu beheizenden Raum, das sogenannte ‚Kabinett‘, das ausschließlich als Büro für die Korrespondenz oder andere Arten von Schreibtischarbeit diente“, sagt Anderson und merkt an, dass man dort auch Möbel für die Korrespondenz fand.

Büroräumlichkeiten im eigenen Heim wird zum Kriterium

Doch nun zurück in das Hier und Jetzt. Oft erfordert unsere Arbeit, dass wir sie hin und wieder mit nach Hause nehmen. Zum Beispiel, wenn wir eine Projektpräsentation für den nächsten Tag vorbereiten sollen. Da ist es generell hilfreich, einen eigenen Arbeitsplatz daheim zu haben.

Heute wird dies bei der Wohnungssuche für viele Menschen zum Kriterium. Ist es möglich ein Büro einzurichten, kommt sogar ein kleiner Wandschrank infrage. Das sogenannte „Cloffice“ ist vor allem in den USA beliebt, wo sich viele Arbeitnehmer solche in ihren Apartments eingerichtet haben.

Auch bei den Einfamilienhäusern ändert sich einiges. Oft wird nach Immobilien gesucht, die über ein ruhig gelegenes Gästezimmer verfügen. Dies wird dann später in ein Büro umfunktioniert. Wenn man sich die Suchkriterien von vor 50 Jahren anschaut, lässt sich der Wandel erkennen. Die Einfamilienhäuser und Wohnungen waren nach dem Konzept des patriarchischen Brotverdieners gebaut.

Ein großes Wohnzimmer direkt in der Nähe des Hauseingangs mit Zugang zum Esszimmer und der Küche. Da der Fernseher einen wichtigen Platz einnahm, ist das nicht gerade verwunderlich.

Home Office als Kriterium bei der Berufswahl

Vor allem Millennials – also Menschen zwischen 24 und 34 schenken mittlerweile Jobangeboten ohne mögliches Home Office keine Beachtung mehr. Home Office ist demzufolge zu einem Suchkriterium geworden.

Ohne die Möglichkeit auf Flexibilität werden diese Angebote nicht einmal als lohnenswert betrachtet. Das liegt an der wachsenden Einstellung zum Privatleben. Viel junge Erwachsene wollen, dass man sie auch wie eigenverantwortliche Menschen behandelt und ihr Privatleben respektiert.

Das eigene Leben der Arbeit unterzuordnen, ist für viele Millennials eine Horrorvorstellung. Auch wenn es nicht so scheinen mag, wünschen viele sich einfach nur ihre Zeit intelligent einteilen zu können. Letztendlich ist es egal, von welchem Ort aus man arbeitet, solange die Arbeit getan wird. Die richtige Work-Life-Balance zu finden ist mittlerweile ein essenzielles Anliegen dieser Generation.

Mit Geld kann man ja nicht alles kaufen und Arbeiten bis zum Limit schadet uns nur selbst.

So muss sich die Berufswelt langsam, aber sicher verändern. Jeder Berufszweig, der sich im Home Office bewältigen lässt, könnte in der Zukunft auch so ausgeübt werden. Mit voranschreitender Technik ist es immer einfacher effizient zusammenzuarbeiten. Unabhängig des Standorts. Natürlich werden sich andere Beruf nicht verändern:

• Gastronomie

• Krankenpflege

• Bau

• Streifendienst der Polizei

• uvm.

Apartmentkomplexe zum Leben und Arbeiten

In New York haben bereits Apartmentkomplexe Lounges und Coworking Spaces eingerichtet. In diesem Gebäude wohnen die Menschen nicht nur, sie arbeiten auch im Home Office. Aber sie tun dies in den Coworking Spaces anstatt in ihren Apartments.

Dies schafft völlig neue soziale und berufliche Verbindungen. In einer solchen Umgebung kann sich schnell ein Gemeinschaftssinn aufbauen, was die Bewohner dazu verleitet in diesen Komplexen weiterhin zu wohnen.

Die wirkt sich auf die Immobilie selbst aus, da die Bewohner durch dieses Zugehörigkeitsgefühl einen sorgfältigeren Umgang mit den Räumlichkeiten pflegen. Das reduziert die Reparaturkosten, die die Instandhaltung eines solchen Objekts mit sich bringen.

Dies könnte auch viele Unternehmer dazu bewegen solche Apartmentkomplexe in Deutschland anzubieten. Vor allem Städte, in denen der Wohnraum knapp ist, werden solche Lösungen schnell begehrt sein. Dadurch können neue gesellschaftliche Strukturen entstehen, die sich in diesen Wohn- und Arbeitsgebäuden ansiedeln.

Das heißt, dass sich die dort wohnenden Menschen mit diesem Ort und der dort lebenden Gemeinschaft identifizieren. Durch soziale Interaktionen und beruflichen Austausches können wir davon ausgehen, dass die Fähigkeiten der Anwohner wachsen werden. Viele Freiberufler profitieren bereits von der Erfahrung anderer, die mit ihnen im selben Coworking Space arbeiten.

Veränderung der Architektur

Home Office wird zunehmend ein fester Bestandteil der Unternehmen. Daher werden in Zukunft die viele Führungsetagen dies in die Unternehmens- und Personalplanung miteinbeziehen. Die führt zu kompakteren Gebäuden, da ein Teil der Belegschaft von einem anderen Ort aus arbeitet. Solche Größenveränderungen führen nicht selten zu einer veränderten Form der Gebäude.

Vor allem in Wohngebäuden werden die Räume segmentierter sein als zuvor. Sodass die Einrichtung eines Home Office möglich ist. Das bislang zentrale Wohnzimmer wird beim Haus- und Wohnungsbau immer unwichtiger werden. Stattdessen werden Arbeitsflächen oder Räume, die dazu umfunktioniert werden können, an dessen Stelle treten.

Es könnte auch passieren, dass die „Work-Life-Apartments“ so erfolgreich sein werden, dass Bürogebäude im Allgemeinen verschwinden werden. Stattdessen werden unter anderem auch Firmen ihren Mitarbeitern Wohn- und Gemeinschaftsräume zur Verfügung stellen.

Veränderung der Gesellschaft?

Eins steht jedenfalls fest: Der Lockdown und die Zeit im Home Office haben uns verändert. Nicht nur privat, sondern auch als Gesellschaft. Wir beginnen unsere Zeit und unser Leben nun anders zu planen. Das Arbeiten während der Corona-Pandemie bewies, dass das Home Office auch im größeren Maßstab funktioniert. Ob sich daraus Positives oder Negatives ergibt, bleibt natürlich abzuwarten.

Zum einen können solche Work-Life-Apartmentkomplexe auch zur Bildung eines modernen Ghettos beitragen, die sich parallel zur restlichen Gesellschaft entwickeln. Es könnte auch zu einem eher unseriösen Beschäftigungsmodell verkommen, in dem Firmen Einfluss auf das Privatleben ihrer Angestellten nehmen.

Sollte jemand nicht genug leisten, verweigert man ihm oder ihr diverse Annehmlichkeiten. Auch wenn das jetzt, wie der Inhalt eines dystopischen Cyberpunk-Romans klingen mag, stoßen vor allem große Umbrüche auch immer die Tore für niedere und unmoralische Perspektiven auf.

Fazit: Es wird Veränderungen geben

Digitalisierung ermöglicht uns nicht nur die Arbeit von zu Hause aus, es bindet die Arbeit an unser Zuhause. Daher sollten wir kritisch hinterfragen, wie eng diese Bindung sein sollte.

In welchem Ausmaß sollten sich beide Sphären gegenseitig beeinflussen?

Wo ziehen wir die Grenze?

Sobald sich die Arbeitsverhältnisse ändern, ändern sich auch unsere privaten Gegebenheiten. Manchmal aus Notwendigkeit wie in der Pandemie und manchmal aufgrund des technologischen Fortschritts.
Besonders in den Branchen, in denen eine ständige physische Präsenz nicht erforderlich ist, um die Arbeit zu verrichten, werden logistische Umgestaltungen stattfinden.

Es kann durchaus sein, dass einige Menschen in die ländlichen Gegenden ziehen, um von dort aus zu arbeiten. Auch wenn nicht jeder im Büro ab jetzt von Zuhause aus arbeiten wird, sind die Weichen gestellt.